Das Obermaier ist keine Insel. Vielleicht ist es eher ein Floß, weil es immer in Bewegung bleibt und dabei so hübsch schaukelt. Wer will, kann aufsteigen, sich treiben lassen und sich liebevoll im Alltag umschauen. Ein paar gute Leute sind sowieso immer da. Und manchmal noch ein paar mehr. Das Obermaier versteht sich seit jeher als Refugium für Toleranz, für ein entschiedenes Miteinander, für sinnstiftenden Streit, für wundersame Begegnungen. Es hat sich in seinen Daseinsjahren als eine Raum gewordene Einladung etabliert. Und das ist umso wichtiger, da so viele merkwürdige, von Menschen gemachte und verstörend dumme Dinge in der Welt passieren. Das war zwar sicherlich schon immer so – aber mittlerweile kriegen wir alles davon mit, täglich, in Überdosis. Dann denkt man: auweia. Das einzige was hilft ist dann, darum zu wissen, dass es auch anders geht. Darum: der Salon.
Eva Schestag stellt im Gespräch mit Verleger Andreas Rötzer (Matthes & Seitz) ihre Übersetzung von Rao Pingrus „Unsere Geschichte“ vor.
Raos intimer, mit großer Bescheidenheit und Hingabe verfasster persönlicher Bericht wird zur Erzählung der Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert: das Kaiserreich, die Ausrufung der Republik, die Gründung der Volksrepublik, der Bürgerkrieg, der Krieg gegen Japan, die Große Hungersnot. Aus der Perspektive seiner beiden Helden, die man realistischer und zauberhafter nicht hätte erfinden können, gelingt es dem Autor mit hinreißender Gewogenheit das Panorama einer ganzen Epoche zu entwerfen.
Mit Eva Schestag, Andreas Rötzer, Dunja Funke, Mariel Jana Supka, Olaf Helbing und der Dante Connection
Die Autorin Olga Hohmann stellt im Salon ihr neues Buch vor: Ein Text, so überfordernd wie die vorbeiziehende Großstadt selbst. Die Protagonistin kommt, obwohl ihr wenig Außerordentliches geschieht, immer wieder in Situationen, in denen sie eine unbändige Wut überkommt. Oder, wahlweise, sie von einer großen Rührung überfallen wird.
Mit Olga Hohmann, Dunja Funke, Mariel Jana Supka, Olaf Helbing und der Dante Connection.
"Hin und wieder werden wir unsere Köpfe auf die Waage legen und schauen, ob sie leichter werden, mit der Zeit."
(Warum wir noch hier sind, Marlen Pelny)
Marlen Pelny und Stephan Lohse geben in ihren jüngsten Büchern Anlass, genauer hinzuschauen auf Ereignisse und Erfahrungen, die ein ganzes Leben (sogar: ganze Leben) unerwartet in eine andere Richtung lenken können.Wir sind mit Ereignissen konfrontiert, die Sehnsüchte provozieren, mit Ereignissen, die Trauer auslösen, Schmerz verdienen und Trost spenden. Wir sitzen mittendrin.
Die Schauspieler:innen Mariel Jana Supka und Olaf Helbing lesen und musizieren, Dunja Funke interveniert, Dante Connection bringt die Bücher mit. Und dass es im Obermaier dazu eine angemessene feine Bewirtung gibt, ist selbstverständlich.
Karl-Ove Knausgård bezeichnete Tarjei Vesaas‘ »Die Vögel«, als »besten norwegischen Roman, der je geschrieben wurde«, auch »Das Eis-Schloss« gehört zu den Meisterwerken skandinavischer Literatur. Vesaas (1897–1970) verfasste Gedichte, Dramen, Kurzprosa und Romane, die ihm internationalen Ruhm einbrachten: Für sein hochmodernes, lyrisch-präzise verknapptes Werk mit rätselhaft-symbolistischen Zügen wurde er mehrmals für den Nobelpreis vorgeschlagen.
Dem Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel und dem Verleger Sebastian Guggolz ist jetzt die Wiederentdeckung von Vesaas‘ Erzählung »Der Keim« gelungen. Und die Buchhandlung Dante Connection feiert dieses literarische Ereignis mit einer Matinee im Obermaier Salon.
In »Der Keim« wird eine verschworene Gemeinschaft von Inselbewohnern mit einem Neuankömmling konfrontiert, der in dieses fest gefügte familiäre Miteinander einbricht. Ein dunkler Schatten fällt auf den sonnigen Sommertag. Sein triebhafter Wahnsinn lässt den Neuen zum Mörder werden – der Mord führt unvermeidlich zu einem zweiten, und die ganze Insel lädt Schuld auf sich.
Übersetzer Schmidt-Henkel und Verleger Guggolz stellen den Roman im Gespräch gemeinsam vor. Die Schauspieler:innen Mariel Jana Supka und Olaf Helbing lesen und musizieren, Dunja Funke interveniert, Dante Connection bringt die Bücher mit.
Dass der viel gerühmte und leider viel zu früh verstorbene Cesare Pavese gemeinsam mit seiner Schriftsteller-Kollegin Bianca Garufi einen „Roman mit vier Händen“ verfasste, ist hierzulande weitgehend unbekannt. Tatsächlich galt »Großes Feuer« aber 1959, bei seinem ersten Erscheinen, als literarische Sensation – die Erzählung war ihrer Zeit weit voraus und ist das bis heute geblieben. Aus ihrer wechselnden Perspektive legen Autorin und Autor Schicht für Schicht die Missverständnisse zwischen ihren zwei Hauptfiguren frei: eine Liebesgeschichte mit dem Potenzial einer griechischen Tragödie.
Der Atlantis Verlag hat »Großes Feuer« jetzt (endlich!, möchte man sagen) wieder entdeckt und in einer Neuübersetzung veröffentlicht. Um möglichst vielen Leserinnen und Lesern diesen Genuss nahe zu bringen, lädt das Obermaier gemeinsam mit der Buchhandlung Dante Connection zum zweiten Lese-Salon. Die Übersetzerin Maja Pflug wird im Gespräch mit ihrer Verlegerin und Lektorin Daniela Koch von ihren Erfahrungen, Herausforderungen und Glücksmomenten während ihrer Arbeit erzählen.
Zusammen mit der Buchhandlung Dante Connection lädt das Obermaier zum ersten Lese-Salon.
Die Übersetzerin Olga Radetzkaja und der Verleger Sebastian Guggolz stellen in einer Matinee am Sonntag, 12. Juni den russischen Schriftsteller Viktor Schklowski (1893–1984) und sein Werk »Zoo – Briefe nicht über Liebe oder Die dritte Heloise« vor. Schklowski, der im Frühjahr 1923 in Berlin lebte, schrieb über Literatur und Film, und er schrieb Briefe an eine geliebte Frau, die von seiner Verliebtheit nichts hören wollte. »›Zoo‹ ist eine flirrende, alle Genregrenzen sprengende literarische Illusion – und ein berührender Einblick in Herz und Hirn eines unglücklichen Berliner Exilanten«, heißt es im Klappentext dieses wunderbaren, zeitlosen Buches.
»Übersetzen heißt, eine Rolle spielen«, sagt Olga Radetzkaja. Sie übersetzt Werke russischer Autor:innen und findet Worte, wo es uns mitunter, immer öfter, die Sprache verschlägt. Vielleicht war es nie wichtiger als heute, diese Texte zu lesen. Vielleicht aber auch nicht. Weil es noch nie weniger wichtig war, mit offenem Herzen, mit Neugier und Verstand zu kommunizieren.
Mitwirkende Gäste bei diesem Salon sind Olga Radetzkaja (Straelener Übersetzerpreis 2019), der Inhaber des vielfach ausgezeichneten Guggolz Verlags, Sebastian Guggolz, sowie Mariel Jana Supka und Olaf Helbing (Schauspieler:in und Musiker:in).
© Fotos: Sebastian Bolesch
Im 3. Obermaier Salon geht es um das Thema »Heimat«, um einen politisch oft sehr trübe besetzten bzw. vereinnahmten Begriff, aus dem sich mannigfaltige Gefühle destillieren lassen – solche und solche. Was ist eigentlich Heimat? Ist es ein Ort, eine Erinnerung, oder sind es die Menschen, mit denen ich zusammen lebe? Anknüpfend an die Expertisen unserer Gäste, die sich innerhalb Ihrer Arbeiten mit verschiedenen Vorstellungen von Heimat beschäftigt haben, schauen wir uns heutige Perspektiven etwas genauer an.
Wie ändert sich der Heimatbegriff durch politische Vereinnahmung?
Und wie können wir aus einem oftmals hermetischen Verständnis von Heimat ein Gefühl kreieren, dass durchlässig, integrativ und emphatisch ist? - her mit der Heimat oder auch nicht...
Das wollen wir in diesem Salon diskutieren. Zu Gast sind der Autor und Journalist Fritz Burschel, Referent für Neonazismus und Strukturen und für Ideologien der Ungleichwertigkeit bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, und Michael Thalheimer, Regisseur an den führenden deutschsprachigen Theatern, der gerade mit seiner Inszenierung von Karl Schönherrs »Glaube und Heimat« am Berliner Ensemble die Debatte zumindest in den Feuilletons ziemlich befeuert hat.
Mitwirkende: Dunja Funke (Moderation), Mariel Jana Supka, Olaf Helbing, Clea Funke (Musiker und Schauspieler)
Zwei großartige Menschen, Lokalpatriot*innen im besten Sinne und identitätsstiftende Akteure, die (auch, aber nicht nur, das gastronomische) Kreuzberg in den vergangenen Jahrzehnten mit ihren Impulsen immer wieder neu aufgeladen haben. Das sind: Joanna Wollert – Köchin, Autorin und Illustratorin, war in den 80er Jahren Mitbegründerin des legendären „Madonna“ in der Wiener Straße, später eröffnete sie den „Würgeengel“ und den „Gorgonzola Club“ in der Dresdener Straße. Heute gehört die Verführungskünstlerin zum Kulinarier-Team von Goldhahn & Sampson. Und Hans-Ulrich Fluß, Chronist, Geschichtenerzähler und Hedonist, dessen Urgroßvater einst mit seiner Kuchenmanufaktur am Oranienplatz Weltruhm erlangte. Fluß protokolliert, fotografiert und ist das wandelnde Gedächtnis unseres Kiezes, dessen laufende Häutungen aus Abschiedsschmerz immer wieder überraschend Neues entstehen lassen. / Wollert hat gekocht. Und Fluß hat gesprochen. Beide stellten Fragen und stellten sich den Fragen.
© Fotos: Timm Ringewaldt